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Fantasy Bücher
Buch Leseprobe Der Dorn der schwarzen Rose, Simone Gütte
Simone Gütte

Der Dorn der schwarzen Rose



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Thalia, Hugendubel, Kobo, BoD
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Eine vergessene Begegnung


 


Luanas Lider flatterten, dann öffnete sie mit einem Schlag ihre Augen. Über ihr hingen die Zweige der Johannisbeersträucher, bestückt mit prallen, schwarzen Früchten. Sanft wehten die Blätter im Wind. Vereinzelte Sonnenstrahlen schimmerten durch das Astwerk, Vögel zwitscherten und irgendwo hämmerte ein Specht gegen einen hohlen Baumstamm.


Stöhnend griff sich die Elfe an den Kopf. Er dröhnte und ihr Körper fühlte sich an, als wäre er in Nesseln ge­taucht worden. Vorsichtig setzte sie sich auf und stemmte sich mühevoll auf die Beine.


Sie sah sich um. Vor ihr blubberte der Koboldweiher. Warum lag sie unter den Johannisbeersträuchern? Sie blinzelte mehrmals und schüttelte sich, als könne sie so ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Wie aus einem Nebelschwaden tauchte die Gestalt der Koboldin Oona in ihren Erinnerungen auf, ein Mensch zeichnete sich ab und sie meinte, sogar ihre Dornenkönigin Coraxenia ge­sehen zu haben. Ein blonder Elf in rotgoldener Jagdklei­dung, ausgerüstet mit Pfeil und Bogen, hatte sich ihr als Ahorn vorgestellt, der Königssohn aus dem Ahenwahra. Er hatte freundlich gewirkt, war hochgewachsen wie ein Löwenzahn und damit nicht viel größer als sie selbst.


Sie senkte den Blick und zuckte zusammen. An ihren Händen haftete Blut. Es war nicht mehr frisch, sondern hinterließ einen klebrigen Abdruck an ihren Hand­flächen. Ihre Arme schmerzten ein wenig, als hätte sie schwere Körbe getragen. Auch sonst entdeckte sie nur die üblichen Kratzer, die manchmal beim Beeren­pflücken Spuren hinterließen.


Bin ich an den Zweigen hängengeblieben und abgestürzt?, grü­belte sie. Oder hatte es etwas mit den Anwesenden zu tun? Wieso kann ich mich nicht erinnern?


Sie nieste heftig und geriet ins Taumeln. Verwundert wischte sie sich mit einem Blatt die Nase ab. Seit wann reagierte sie auf Johannisbeeren allergisch?


Das Brennen auf ihrem Körper ließ nach, aber ihr Kopf schmerzte noch immer. Luana straffte sich und flog hinüber zum Hillock, auf dem morgen um Mitter­nacht das Onyxfest stattfinden sollte.


Was bei allen heiligen Lindenbäumen war nur passiert?


 


***


 


Die Tautropfen auf den Grashalmen des Hillock funkel­ten wie Bergkristalle in der aufgehenden Sonne. Auf der Wiese lag das erste Herbstlaub, noch leicht wie frisch ge­fallener Schnee, und schimmerte grüngolden.


Taria pustete in ihre kalten Hände und rieb sie kräftig, während sie ihre Schwestern beobachtete, die Kiesel am Wiesenrand aufsammelten und sich mit ihrer Last in die Lüfte erhoben. Sie ließen ihre Flügel surren, sodass sie mit ihren farbigen Blütenkleidern aussahen wie kleine, bunte Hummeln, die Blumen bestäuben wollten. Im Ge­gensatz zu den beiden konnte Taria nicht mit einem Paar filigraner Elfenflügel abheben.


Sie richtete ihren Köcher mit den Pfeilen auf dem Rü­cken, zog die Kapuze über ihr kurzes, haselnussbraunes Haar und spurtete ebenfalls zum Wiesenrand. Sie packte einen weiteren Kiesel und lief flink wie ein Eichhörnchen auf das Oval zu, dessen Form sich durch die Legung der Steine abzeichnete. Bald würde daraus ein Auge mit Au­genlidern, langen Wimpern, einer Iris und einer Pupille entstehen. Besonders auf die großzügige Gestaltung der Mitte kam es an. Jedes Waldwesen würde seinen Onyx stellvertretend für seine Sippe in den Kreis legen, um das Onyxfeuer zu entzünden.


Endlich, dachte Taria. Endlich ist es wieder so weit.


Sie legte ihren Kiesel neben die anderen und lief zum Wiesenrand, um den nächsten zu holen. Immer wieder, bis sie nach einer Weile keuchte. Laufen, Tragen und Le­gen war eine schweißtreibende Arbeit, obwohl sie es wie alle Elfen gewohnt war, sich täglich um das Wachstum der weitaus größeren Pflanzen und Tiere des Onyxwal­des zu kümmern. Sie blieb am Oval stehen, stemmte beide Hände in den unteren Rücken und kam mit einem Ächzen in die Gerade.


»Möchtest du dich ausruhen?«, fragte Noe, ihre jüngere Schwester, die neben ihr gelandet war. »Wir schaffen das auch allein.«


»Kommt nicht infrage. Wenn uns die Dornenkönigin erlaubt, die Onyxnacht vorzubereiten, helfe ich mit. Was ihr mit euren Flugkünsten schafft, packe ich locker mit meinen Armen.« Taria lief zurück, griff nach dem nächs­ten Kieselstein und kippte vornüber. Schnaufend stand sie auf und hob pfeifend einen kleineren an.


»Taria?«, wandte sich Noe erneut an ihre Schwester. »Findest du nicht, dass Luana heute abwesend wirkt?«


Taria drehte sich um und folgte Noes besorgtem Blick. Ihre älteste Schwester arbeitete an dem Oval, aber sie spähte über den Hillock, als suche sie dort irgendetwas.


»Ob sie hofft, dass Mama Serena und Papa Tarkan der Zeremonie beiwohnen werden?«, flüsterte Noe.


»Die Geister des Hillock treten nie persönlich in Er­scheinung.« Taria seufzte traurig. »Aber unsere Eltern werden sicher am Rande zuschauen, wie wir die erste Onyxnacht nach der großen Kältezeit begehen.«


»Was sucht Lu dann?«


»Ich werde sie fragen. Hol du neue Steinchen.«


Sie ging zu ihrer Schwester und tippte ihr auf die Schul­ter. Luana fuhr mit einem kleinen Aufschrei herum.


»Ich bin’s nur. Wen hast du denn erwartet?«, fragte Taria.


»Ich weiß nicht.« Luanas Stimme klang ungewöhnlich leise.


Stirnrunzelnd betrachtete Taria ihre Schwester. Das sonst fein mit Blumen und Ranken durchzogene rote Haar hing ihr in ungekämmten Wellen über den Rücken. Sie trug auch nicht ihren Moosumhang über dem gelben Kleid, mit dem sie sich im Grün des Waldes verbarg.


»Warum sieht dein Haar so strähnig aus? Und wo ist dein Tarnkleid? Du leuchtest wie eine Butterblume bei Mondschein.«


Luana tastete ihre Arme ab, als bemerke sie erst jetzt, dass sie keinen Umhang trug.


Erschrocken starrte Taria auf Luanas Handflächen. »Du blutest ja! Was ist passiert?«


Hastig versteckte ihre Schwester die Hände hinter dem Rücken. »Ich habe vergessen, es abzuwaschen und ich kann mir auch nicht erklären, woher es stammt oder ob es sogar mein eigenes ist.«


»Was ist denn geschehen?«


»Das ist es ja gerade. Ich habe keine Ahnung. Bitte sprich nicht mit Noe darüber. Du weißt ja, wie ängstlich sie ist. Sie versteht die Situation womöglich falsch. Und morgen Nacht steht die Herbsttagundnachtgleiche an. Der Herbstanfang … Da wollen wir die Onyxfeier bege­hen …«


»Lu«, unterbrach Taria ihre Schwester. »Du stammelst wie ein Pixie.«


»Tut mir leid. Ich bin so durcheinander. Ich erinnere mich, dass ich in der Morgendämmerung zum Johannis­beerensammeln ausgeflogen bin. Als ich in der Nähe des Koboldweihers war, hörte ich ein Geräusch. Wie ein Rö­cheln. Ich lief hin … und dann …« Luana hielt inne.


Taria rüttelte ihre Schwester sanft an den Schultern. »Wer hat geröchelt? Einer der Kobolde am Weiher?«


Luana nickte. »Oona. Es muss Oona gewesen sein.«


»Du weißt es nicht genau?«


»Nein. Seit ich von der Beerensuche zurück bin, ist in meinem Kopf alles verschwommen. Ich meine sogar, ei­nen Menschen gesehen zu haben.«


»Wie bei allen heiligen Lindenbäumen kommt ein Mensch in den Onyxwald?«, rief Taria verwundert.


Luana presste ihr eine Hand auf den Mund.


Taria schob sie beiseite, spuckte und wischte über ihre Lippen. »Igitt! Jetzt hast du mir das Blut ins Gesicht ge­schmiert. Das ist eklig.«


»Entschuldige.«


Taria sah zu Noe hinüber. Ihre jüngere Schwester stand zwischen den Kieseln und zog ihren purpurnen Fingerhut tief in die Stirn. Sie drehte den Kopf in ihre Richtung, kam jedoch nicht näher.


»Am Koboldweiher war nicht nur ein Mensch«, sprach Luana weiter. »Plötzlich war dort ein Elf, den ich nie zu­vor gesehen habe. Ich glaube, Coraxenia war auch dort.«


»Nun wird es seltsam, Schwesterherz«, sagte Taria. »Die Dornenkönigin würde niemals an den Weiher kom­men. Sie verlässt das Gebiet um ihren Rosenpalast nie. Außerdem mag sie die Kobolde nicht.«


Luana seufzte. »Das stimmt. Alles ist so verwirrend.«


»Wer war der Elf?«, hakte Taria nach. »Jemand aus dem Rosenpalast?«


»Nein«, antwortete Luana. Doch dann leuchteten ihre Augen. »Es sagte, er sei Ahorn, der Königssohn aus dem Ahenwahra. Er erwähnte seine Eltern, die während des Eiswinters verstorben sind.«


»Wenn wir Mamas Schutzzauber nicht gehabt hätten, wären wir auch erfroren«, erwiderte Taria betrübt.


»Sie übertrugen alle Wärme auf uns und mussten dafür ihr Leben lassen«, fügte ihre Schwester traurig hinzu. »Vielleicht war es ein Zeichen, dass ich dem Königssohn begegnet bin?«


»Ich hoffe doch ein gutes? Aber was sollte es bedeuten, besonders so kurz vor der Onyxnacht? Was, wenn uns wieder dreizehn Jahre Kälte erwarten? Mir gruselt es ir­gendwie, wenn ich an Zeichen denke.« Taria stockte und sah ihre Schwester mit aufgerissenem Mund an. Deren Wangen glühten. »Was ist denn mit dir los?«


»Er sieht hübsch aus.« Luana senkte die Lider.


»Wer?«, fragte Taria. Dann griff sie sich an die Stirn. »Aha! Daher weht der Wind. Hast du dich etwa verliebt?« Eine steile Falte erschien auf ihrer Stirn.


»Sei bitte still«, bat Luana. »Noe kommt zu uns her­über. Solange ich nicht weiß, woher das Blut an meinen Händen stammt, möchte ich nicht darüber sprechen.«


»Also schön. Wir gehen der Sache später nach. Am besten wäre es, wenn du dir die Hände wäschst.«


Luana lächelte erleichtert und flog davon, bevor Noe sie erreichte.


»Was habt ihr für Geheimnisse? Und warum hat Lu Blut an den Händen?« Sie sah ihrer Schwester hinterher.


Verdammt, sie hat es gesehen!, dachte Taria.


»Keine Sorge, Liebes«, beruhigte sie die Jüngste. »Lu hat sich heute Morgen beim Beerensammeln an einem Dorn verletzt.« Sie richtete sich stolz auf, weil ihr spontan eine Antwort eingefallen war.


Noe betrachtete sie mit zusammengekniffenen Augen. »Was für ein Dorn? Mit Lügen solltest du gar nicht erst anfangen, Taria. Lu kümmert sich um uns, seit unsere Eltern ihren Platz auf der Dämmerlichtung eingenom­men haben. Nie hat sie sich gehen lassen. Und plötzlich sieht sie wie ein gerupfter Wiedehopf aus, taumelt wie ein betrunkener Kobold und blutet an den Händen. Ich mag ja zuweilen etwas ängstlich sein, aber wenn ihr glaubt, mir fiele so etwas nicht auf, habt ihr euch getäuscht.«


Sie setzte sich an den Rand des Ovals und drapierte sorgsam die Kieselsteine.


Taria ließ die Schultern sinken. Nein, Noe mochte sich vor allem fürchten, aber vormachen konnte sie ihrer klei­nen Schwester nichts. Dass sie sogar ihre Lüge durch­schaut hatte, war ihr unheimlich peinlich.


»Lu wird es dir später erklären«, sagte sie. Wenn sie es denn kann, fügte sie in Gedanken hinzu.


»Jetzt sollten wir das Auge fertigstellen. Ich freu mich schon, wenn wir wieder gemeinsam feiern«, munterte Ta­ria Noe auf. »Vor dem Eiswinter wimmelte es auf dem Hillock nur so von verrückten Waldwesen. Die Kobolde führten Kunststücke für die Kinder auf. Und wir haben dem Gebrabbel der Pixies gelauscht, auch wenn wir nichts verstehen konnten.«


»Ja, daran kann sogar ich mich erinnern, obwohl ich damals noch sehr jung war«, erwiderte Noe.


»Dreizehn Jahre Kälte haben viel verändert«, sagte Ta­ria. »Die Waldwesen haben sich zurückgezogen. Wenn wir sie treffen, spielen uns die Kobolde Streiche und die Pixies hüpfen davon. Die Zwerge haben sich abgeson­dert und meiden uns. Keine Ahnung warum, aber jedes Wesen kümmert sich nur noch um sich selbst.« Taria sah, wie über Noes Gesicht ein Lächeln huschte. »Was ist so lustig daran?«, fragte sie.


»Nichts«, antwortete ihre Schwester. »Ich musste an die Zwerge denken. Wenn ich auf den Flusswiesen liege, lausche ich dem Klang ihrer Werkzeuge. Überall klirrt, klimpert und hämmert es. Dazwischen höre ich den Fluss rauschen. Sie scheinen ständig zu arbeiten, ohne müde zu werden.« Verträumt blickte sie in diese Rich­tung. »Vielleicht könnten sie dir Flügel schmieden?«, fiel ihr ein. »Ich glaube, sie können alles anfertigen, sogar zarte Elfenflügel.« Sie schaute Taria an und erblasste.


Diese knurrte ärgerlich. »Lass uns weitermachen«, be­stimmte sie kühl. »Die Steine sortieren sich nicht von selbst. Im Übrigen brauche ich dazu keine Flügel.«


Natürlich ist Noe nicht entgangen, dass ich mir Flügel wünsche. Jede Elfe besitzt Flügel. Jede, wirklich jede Elfe.


Sie spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde und zog hastig die Kapuze tiefer in die Stirn. Sicher bildeten sich gerade unpassende, hektische Flecken, die Noe nicht sehen musste. Sie setzte ihre Arbeit fort und linste hin und wie­der zu ihrer Schwester.


Noe antwortete nicht mehr, legte jedoch zügig Kiesel an Kiesel und summte ein Lied. Taria lächelte. Es war ein Frühlingslied, das ihnen ihre Mutter früher vorgesungen hatte. Schließlich fiel sie in die Melodie ein. Kurz vor Mit­tag war ein aufmerksam blickendes Auge entstanden.


»Es ist schön geworden«, sagte Taria und nahm Noe an die Hand. »Jetzt müssen wir nie wieder einen Eiswin­ter erleben.«


»Stimmt«, antwortete die Jüngere. »Bleibt nur noch zu klären, wobei sich Luana blutige Hände geholt hat.«


Taria verzog zerknirscht den Mund.


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