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Belletristik
Buch Leseprobe Ihr Blumen aus Eis, Franziska Fischbach
Franziska Fischbach

Ihr Blumen aus Eis


Roman

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Der Tag begann mit einem wunderschönen Sonnenaufgang. Ich fuhr um halb sechs Uhr morgens los und musste schon am Vormittag in Niederösterreich sein. Den ganzen Weg dorthin dachte ich über die letzten Jahre nach.


Als ich in dem Gasthof angekommen war, in welchem ich meinen Vortrag machen sollte, packte ich meine Sachen aus und wartete auf meine Kunden. Die Nervosität hielt sich in Grenzen und ich begann mit meinem Vortrag. Es lief gut und ich verkaufte sogar ein Gerät. Am Schluss kam dann noch eine ältere Dame und wollte wissen, ob sie mit dem Entsafter auch Kiwisaft pressen konnte. Ich bejahte, aber die Dame wollte es von mir vorgeführt bekommen. Ich ging zum Küchenchef und fragte ihn, ob er für mich eine Kiwi hätte. Er gab mir zwei Früchte mit und ich begann mit meiner Vorführung. Ich hätte die Früchte schälen sollen, durch das Pressen und den Widerstand der Schale ist mir an meiner Küchenmaschine das Gewinde gebrochen. Die Dame kaufte daraufhin das Gerät verständlicherweise nicht mehr und ich überlegte fieberhaft, wie ich an ein neues Ersatzteil kommen sollte. Ich telefonierte vom Gasthof aus mit der Firma, die sich in der Stadt Salzburg befand. Man sagte mir zu, ich würde das Ersatzteil bekommen, wenn ich noch vor sechs Uhr abends in der Firma sein sollte. Das bedeutete Stress. Es war schon nach ein Uhr mittags, als ich losfuhr. Ich würde es leicht schaffen, dachte ich noch, bevor ich dann in einen Stau kam, der bei Krems begann. Ich stand dann gestresst für etwa eine Stunde im Stau bis er sich langsam aufzulösen schien. Mit der Lichthupe gab ich Signale, dass mich die langsam vor mir herfahrenden Autos vorbeilassen sollten, welcher Aufforderung von mir die meisten auch nachgekommen sind. Ich war wieder zuversichtlich, dass ich es schaffen würde.


Als dann vor mir ein weißer Mercedes Sprinter mit ungefähr hundert Stundenkilometern fuhr, betätigte ich abermals die Lichthupe und deutete dem Fahrer mit Zeigen auf meine Armbanduhr an, dass ich es sehr eilig hatte. Der Fahrer sah mich in seinem Rückspiegel verächtlich an und blieb auf der linken Spur. Da staute sich in mir der ganze Hass der letzten Wochen auf. Nochmals gab ich ihm mit meiner Lichthupe zu verstehen, dass er  mich vorfahren lassen sollte. Dieser Bitte ist der Fahrer des voran fahrenden Mercedes nicht nachgekommen. Dann ist er immer schneller geworden und ich klebte ihm hinten dran. Es wurde eine Art Spiel daraus. Ich weiß nicht mehr wie lange das so dauerte, auf jeden Fall war ich ihm viel zu dicht hinten aufgefahren und er wurde immer schneller. Durch seine Blicke im Rückspiegel, die ich aus dieser Entfernung leicht erkennen konnte, konnte ich davon ausgehen, dass er mich ausbremsen wollte. Das spürte ich genau. In mir stieg ein solcher Hass hoch, gegen Vater, gegen Bernie, gegen den Fahrer vor mir, gegen meine ganze jetzige Lebenssituation! Es ging dann noch einige Zeit so weiter, ich ihm dicht auf den Fersen und er immer schneller voran. Als wir dann ungefähr beide hundertachtzig Stundenkilometer schnell fuhren, merkte ich wiederum am Blick des voran fahrenden Fahrers, dass er bald eine Bremsung hinlegen würde. Ich beschloss plötzlich unfassbares: wenn dieser Arsch vor mir bremsen wird, dann werde ich NICHT bremsen! Ja, für einen kurzen Moment beschloss ich, meinem Leben ein Ende zu bereiten. Sollte ich doch in diesem Auto, um das die letzten Monate so viel gestritten wurde, sterben!


Dann plötzlich kam die Bremsung. Es war eine Vollbremsung. Irgendetwas in mir veranlasste mich dann doch zu bremsen. Auch ich legte eine Vollbremsung hin. Beide Fahrzeuge begannen zu schleudern. Durch geschicktes Ausbalancieren mit dem Lenkrad brachte ich das Fahrzeug wieder in meine Gewalt. Ich zitterte am ganzen Körper. Zu groß war die Anspannung der letzten Minuten gewesen. Dann wechselte ich die Spur und fuhr auf der rechten Seite der Autobahn mit etwa fünfzig Stundenkilometern einige Zeit dahin. Ich musste mich von diesem Schock erholen. Das Zittern ließ etwas nach und dann fasste ich den Entschluss dem Fahrer nachzufahren und mir das Autokennzeichen zu notieren. Abermals wechselte ich die Spur und beschleunigte wieder auf etwa hundertfünfzig Stundenkilometer. Als ich am Mercedes vorbeifuhr winkte ich dem Fahrer mit meinem Notizblock, sodass er Bescheid wissen sollte, dass ich mir sein Kennzeichen notiert hatte. Auf selber Höhe, auf der ich den Fahrer überholt hatte, hatte ich übersehen, dass eine Polizeistreife stand. Sie haben mich mit ihrem Radargerät geblitzt und sind mir dann mit Blaulicht nachgefahren. Ich begann zu weinen. Auch das noch, das hatte mir gerade noch gefehlt. An der nächsten Autobahnraststätte hielt ich an. Die beiden Beamten forderten mich auf, auszusteigen. Ich weinte noch immer. Als sie dann auch noch begannen mit mir zu schreien, ob mir nicht bewusst wäre, dass ich bei auflösendem Stau und mit dieser Geschwindigkeit, das Leben anderer gefährden würde, war ich völlig mit den Nerven fertig.


Die Beiden forderten mich schroff auf, auf der Stelle dreitausend Schilling zu bezahlen, ansonsten würden sie mir an Ort und Stelle den Führerschein abnehmen. Ich hatte normalerweise nie so viel Geld dabei, nahm aber den Betrag von meinem Firmengeld.  Als ich für den Betrag, den ich den Beamten aushändigte einen Strafzettel erhielt, forderten mich die beiden auf, den Zettel zu zerreißen. Ich wusste nicht wofür das gut sein sollte und fragte auch, warum ich den Zettel zerreißen sollte, worauf mir die Zwei sagten, damit ich den Betrag nicht von der Steuer absetzten könnte. Ich zerriss schließlich den Zettel und wollte fahren, als mich die Beiden aufforderten, ihnen den zerrissenen Zettel auszuhändigen. Dieser Aufforderung bin ich nicht nachgekommen, sondern schimpfte dann mit ihnen: „Den Zettel bekommt ihr bestimmt nicht, interessiert es euch überhaupt warum ich so schnell gefahren bin. Ich reiße mir ständig den Arsch auf und dann werden die, die fleißig sind, immer bestraft und die, die andere übers Kreuz legen, die kommen davon!“


Ich erzählte ihnen aufgebracht davon, dass mich der Mercedesfahrer ausgebremst hatte und ich ihm nachgefahren bin, um sein Kennzeichen zu notieren, aber das war den Beiden egal. Schließlich bin ich losgefahren. Auf der Fahrt nach Salzburg blieb ich dann am nächsten Parkplatz stehen und begann fürchterlich darüber zu weinen, dass ich in der Absicht nicht zu bremsen in einem solchen Tempo hinter einem Auto hergefahren bin. Was war nur aus mir geworden?


Schließlich setzte ich meine Fahrt fort und habe bei einer neuerlichen Rast telefonisch darum gebeten, dass der Lagerist der Firma das Ersatzteil im darunter gelegenen Reisebüro, das bis neunzehn Uhr offen hatte, hinterlegen sollte.


Als ich dann gegen Abend dort ankam, war ich noch völlig aufgelöst. Ich erzählte den Angestellten des Reisebüros, dass mir zwei Polizisten auf der Autobahn dreitausend Schilling abgenommen hatten. Der Sekretär vom Büro sagte mir daraufhin gleich: „Soviel darfst du gar nicht bezahlen. Du darfst höchstens fünfhundert Schilling bezahlen, für alles andere bekommt man eine Strafverfügung. Die haben dich reingelegt. Hast du den Zettel noch?“


Ich verlor den Boden unter den Füßen. Sollte es wahr sein, dass mich sogar schon die Polizei reinlegt? Ich hatte die Zettel noch im Auto, lief hinaus und sah auf die zerknüllten Fetzten Papier. Ich rollte ihn aus und sah dann nur einen Betrag dort stehen: FÜNFHUNDERT Schilling!


Dann war es vorbei mit mir. Ein Weinkrampf schüttelte mich. Ich ging gar nicht mehr zurück ins Büro, mein Ersatzteil hatte ich mitgenommen. Sie sollten da drinnen nicht merken, wie fertig ich war. Ich wollte eine Polizeiwache finden und die Beiden anzeigen. Ja, das wollte ich tun. Aber von diesem Zeitpunkt an, verlor ich jegliche Orientierung. Ich lief weinend durch die Straßen, fragte ab und wann verwunderte Passanten, wo die nächste Polizeiwache wäre. Aber niemand half mir, niemand nahm mich ernst. Als es mir etwas besser ging, setzte ich mich wieder ins Auto und fuhr ziellos herum. Schließlich kam ich zu einer Polizeiwache, die sich schräg gegenüber des Landesgerichts befand. Ich parkte meinen Wagen vor dem Eingang und lief weinend auf die Wache. Ich wurde nicht gerade freundlich empfangen. Die Papierfetzen hielt ich in der Hand und wusste vorerst gar nicht, wie ich anfangen sollte. Immer wieder brach in ein Weinen aus. Ich erzählte von dem Mercedesfahrer, war auch noch so dumm, dass ich von der hohen Geschwindigkeit erzählte und von meiner Absicht nicht zu bremsen und schließlich kam ich zu dem Punkt, wo ich erzählte, ich hätte dreitausend Schilling bezahlen müssen. Da hat die Polizistin, die die ganze Zeit über mein Erzähltes auf ein Tonband aufgenommen hatte, so komisch geschaut. Gleich darauf nahm sie mir die Zettel aus der Hand und legte sie vor mir auf. Erst da sah ich, dass es sich um sechs Strafzetteln á fünfhundert Schilling handelte und sie erklärte mir, dass ich froh sein sollte, dass mir die beiden Beamten nicht den Führerschein abgenommen hatten. Sie bat mich dann aber, ob sie die Strafzettel behalten könne und ich schämte mich irrsinnig, dass ich so einen Trara gemacht hatte, wo ich doch im Unrecht war. Dann erzählte ich auch noch, dass der Mann meiner Cousine Polizeichef in unserem Bezirk wäre und dass ich ihm auch von dem Vorfall erzählen werde. Sie fragte mich dann nach seinem Namen, den ich ihr nannte. Außerdem wurde ich noch gefragt wo ich arbeiten würde und wer mein Vorgesetzter wäre. Ich habe die gewünschte Auskunft gegeben und verließ beschämt den Polizeiposten.


Ich wollte nur noch schlafen, zu sehr haben mich die Vorfälle der vergangenen Stunden aufgeregt. Als ich so vor mich hinfuhr, ziellos einfach auf der Suche nach einer Pension, fand ich dann auch eine am Flughafen. Ich läutete an der Tür und fragte, ob ich für einige Stunden ein Zimmer haben könnte, weil ich doch mitten in der Nacht wieder fahren musste, um rechtzeitig in Hainburg zu sein, wo ich am nächsten Tag meine Vorführung hatte. Die Dame an der Rezeption merkte, dass es mir schlecht ging und sie war sehr besorgt um mich. Von der Rezeption aus telefonierte ich noch mit Andreas und Hilde und erzählte ihnen, was passiert war. Ich sagte noch nichts von der Strafe die ich bezahlt hatte, einfach davon, dass ich in Salzburg wäre, weil am Gerät ein Ersatzteil gebrochen wäre.


Mitten in der Nacht, so um drei Uhr morgens stand ich auf und machte mich auf den Weg in Richtung Wien. Ich hatte mich ein wenig erholt, in Lindach auf der Autobahnstation machte um etwa sechs Uhr morgens nochmals eine Rast und legte mir Gurkenscheiben auf meine verweinten Augen. Als ich dann wieder auf die Autobahn auffuhr, bemerkte ich, dass ein Wagen des Samariterbundes hinter mir herfuhr. Ich wechselt die Spur und auch der hinter mir herfahrende Wagen wechselte die Spuren – jedes Mal wenn ich es tat. Bis St. Pölten verfolge mich der Wagen, das kam mir etwas ins Gedächtnis, was ich noch nicht so recht wahr haben wollte. Es gab da doch diese Aktion, die sich „Seelentröster“ nannte, ich wusste davon, weil ich einige Monate zuvor mit einer Arbeitskollegin vom Gasthaus nach Hause fuhr. Als sie das Radio anmachte hörte ich eine Meldung, dass eine selbstmordgefährdete Frau mit dem Wagen unterwegs wäre und dass jegliche Vorkehrungen getroffen werden müssten. Ich fragte damals meine Arbeitskollegin was das denn für eine Meldung gewesen sei. Sie erklärte mir, dass ihr Lebensgefährte einen Chip im Autoradio hätte, womit er den Polizeifunk abhört und dass es sich dabei um die Aktion „Seelentröster“ handeln würde. Sie erklärte mir, dass die Personen, die als selbstmordgefährdet eingestuft werden und mit dem Auto unterwegs wären, von bestimmten Fahrzeugen wie Rettung, Samariterbund oder Zivilstreifen begleitet würden, die aufpassen würden, dass sich besagte Personen nicht mit dem Auto umbringen.


In mir stieg der Verdacht hoch, dass auch ich begleitet wurde und mein Verdacht bestätigte sich. Als ich in Stockerau war, waren an den Ampeln Zeitungsmänner in bunten Kostümen, auch das hatte mir meine Arbeitskollegin erzählt. Immer wieder waren Einsatzfahrzeuge hinter mir. Ich konnte mich doch nicht so täuschen. An einer Telefonzelle hielt ich an und rief Andreas an.


Er sagte: „Endlich rufst du an, wir haben uns schon solche Sorgen um dich gemacht! Warum meldest du dich erst jetzt!“


„Ich verstehe nicht, warum du dir solche Sorgen um mich machst. Es kann sein, dass ich den ersten Termin in Hainburg versäume, weil ich mich verfahren habe!“, log ich ihn an.


Vorher musste ich wissen, ob ich mich getäuscht habe, oder ob ich wirklich „begleitet“ wurde. Als ich Andreas erzählt habe, dass ich in Stockerau war, versprach er mir, im Gasthof in Hainburg anzurufen, dass der Termin entfällt. Meinen zweiten Termin würde ich in Altlichtenwart haben, bis dahin hatte ich noch einige Stunden Zeit.


Ich fuhr immer wieder von der gewohnten Strecke ab und hinter mir war immer dasselbe Fahrzeug. Ich war mir dann sicher, dass die Polizei glaubte, ich wollte mich jetzt wegen den dreitausend Schilling umbringen. Hatte ich  nicht schon gestern erzählt, dass ich nicht bremsen wollte? Ach, war ich dumm! Warum nur habe ich das erzählt? Jetzt ist es ja kein Wunder, dass sie mir nachfahren. Wahrscheinlich haben sie gestern gemerkt, dass es mir sehr schlecht ging. Die sind auf so etwas geschult.


 


Dann versuchte ich die Fahrzeuge, die hinter mir herfuhren, auszutricksen. Immer wenn ich abbog versteckte ich mich in einer Seitengasse oder einer Einfahrt und fuhr erst dann wieder raus, wenn das Fahrzeug weg war. Aber es dauerte nicht lange, dann war es wieder hinter mir. Auch kam es mir so vor, dass die Straßenarbeiter, die ich einmal um den Weg fragte, besonders besorgt um mich waren. Waren sie vielleicht auch über Funk informiert worden? Ich wusste nicht mehr so recht, was wahr oder unwahr, was real oder unreal zu sein schien. Zu müde wurde ich durch diese Versteckspiele, um einen klaren Kopf zu bewahren. Schließlich wurde es Zeit, um mich auf den Weg zum Gasthof zu machen, in dem ich um zwei Uhr nachmittags meinen Vortrag haben würde. Als ich ganz kapp dort angekommen bin, ohne die Wirtin zu grüßen und gleich mit meinem Vortrag begann, hatte ich auch dort das Gefühl, dass meine Kunden nicht einzig und alleine aus Interessenten an der Küchenmaschine bestanden. Nur zu meiner Rechten saß eine alte Frau, die den Anschein machte, als würde sie zu meinem Vortrag gekommen sein. Links von mir saß eine Gruppe gut gekleideter und fröhlicher Menschen, die versuchten mich aufzuheitern.


Keiner der Gruppe kaufte mir etwas ab, nur die alte Frau zu meiner Rechten kaufte mir eine Schafwolldecke ab, was mich dann doch sehr gewundert hatte, weil sie so einen ärmlichen Eindruck gemacht hatte.


Als ich mit meinem Vortrag und den Verkaufsgesprächen fertig war, rief ich vom Gasthof aus wieder Andreas an. Ich sagte ihm, dass ich nach Wien fahren wollte, weil am morgigen Tag Staatsfeiertag sei und ich mir Wien anschauen wollte. Andreas fragte wieder so komisch, wie es mir geht. Da erzählte ich ihm von den Vorfällen mit der Polizei und ich sagte: „Andreas, die Polizei glaubt, dass ich mich wegen dreitausend Schilling umbringen will. Die fahren mir schon den ganzen Tag über nach!“


Er  war daraufhin sehr erschrocken, als ich ihm das erzählte und fragte: „Und, wolltest du dich umbringen!“


Ich begann wieder zu weinen und erzählte ihm, dass ich mich auf der Autobahn gestern umbringen wollte, aber nur für einen ganz kurzen Moment. Ich erzählte ihm von meinem Vorhaben bei der Raserei, nicht auf die Bremse zu treten.


Andreas war sehr betroffen. Plötzlich war er ganz ruhig und dann redete er mir gut zu. Er sagte, dass er in Schwanenstadt sei und ich zu ihm fahren sollte. Ich meinte, dass mir das doch zu weit weg wäre und ich mir lieber ein Hotel in Wien nehmen wollte. Andreas sagte dann plötzlich, ich sollte immer einem hellblauen Passat mit mödlinger Kennzeichen nachfahren. Wieso sagte er das? Er wusste von dieser Aktion!


 


So kam es, dass ich am späten Nachmittag, nachdem ich dem besagten Passat nachgefahren war, an einer Tankstelle nach rechts blinkte. Auch der mir vorausfahrende Wagen blinkte dann und bog ab. Ich stieg aus und ein Mann mit Anzug kam auf mich zu. Er zeigte mir seine Dienstmarke und stellte sich mir namentlich vor. Ich sagte aufgebracht zu ihm: „Und, wie wollt ihr diese ganze Aktion jetzt hinstellen, vielleicht als Zivilcourageübung, oder?“


Er musste schmunzeln. Dann fragte er mich, ob er mich in ein Hotel bringen könnte. Ich willigte ein und er fragte mich, ob ich genügend Geld dabei hätte. Ich tankte noch, dann folge ich wiederum seinem Wagen. Im Hotel angekommen, fragte er mich, ob ich essen oder trinken wolle, was ich verneinte. Ich hatte an diesem Tag eine enge Jeans an und einen bauchfreien Pulli. Als er mich dann auch noch auf mein Zimmer brachte, strich er mir, bevor er das Zimmer wieder verlassen hatte, mit dem Handrücken über meine Taille und ich sagte ihm angewidert, dass er mich gefälligst in Ruhe lassen sollte.


Das erste was ich tat war, dass ich eine ausgiebige Dusche nahm. Dann wollte ich versuchen zu schlafen. Ich telefonierte dann noch mit Mama und sagte ihr von all den Vorfällen nicht eine Silbe. Ich sagte lediglich, dass ich den morgigen Tag in Wien verbringen wollte und wünschte ihr dann müde eine gute Nacht. Ich schlief sehr schlecht in dieser Nacht, weil ich nicht recht wusste, wie lange mir die Polizei nachfahren wollte und wie ich aus dieser Misere wieder herauskommen würde.


Am nächsten Morgen setzte ich mich ins Bistro und frühstückte erstmal. Dann las ich einige Zeit in dem Buch, das ich bei mir hatte, um mich zu entspannen. Als ich dann die Hotelrechnung bezahlte, packte ich danach meine Sachen in das Auto und fuhr los. Es dauerte nicht lange, da war der blaue Passat wieder hinter mir.


„Nur nichts zu Schulden kommen lassen!“, dachte ich mir, „dann können sie mich nur noch in Ruhe lassen!“


Als mich der Passat überholte, beschloss ich, ihm auch an diesem Tag wieder nachzufahren. Zuerst fuhren wir zu einem Reitstall nördlich von Wien. Da wusste ich, dass Andreas mit ihnen in Verbindung stand. Nur Andreas konnte der Polizei gesagt haben, dass ich Pferde liebe. Einige Stunden saß ich dann etwas entfernt von dem Passat im Auto und weinte über meine Situation vor mich hin. Als ich dann umdrehte, drehte auch der Passat um und wir fuhren zu einer nahe gelegenen Kirche.


„Warum bringen sie mich zu einer Kirche?“, dachte ich mir. „Jetzt fehlt nur noch, dass sie mir einen Pfarrer bringen!“


So stand ich vor der Kirche mit meinem Wagen und schaute aus der Windschutzscheibe. Schon wieder stieg in mir die Verzweiflung hoch, was wohl weiter geschehen würde. Dann begannen die Kirchenglocken zu läuten und seit langer Zeit begann ich wieder einmal zu beten. Ich hatte schon sehr lange nicht mehr gebetet. Ich hatte zu beten aufgehört, seit Mama an den Rollstuhl gefesselt war.


 


ALS ICH VOR MIR AUF EINE TRAUERWEIDE SCHAUTE, WÄHREND ICH ZU BETEN BEGANN, WURDE ES PLÖTZLICH AUS DEM NICHTS HERAUS SEHR HELL. MITTEN IM BAUM, DORT WO DIE ÄSTE AUS DEM STAMM HERAUS WUCHSEN, ERSCHIEN MIR EIN RUNDES SEHR HELLES LICHT. MIR WURDE SEHR WARM UMS HERZ UND ÜBER MEINE GEDANKEN SPRACH EINE MÄNNLICHE STIMME ZU MIR: „DAS WAS DU VOR EINIGEN TAGEN GEMACHT HÄTTEST, DARFST DU NIE WIEDER VERSUCHEN, NIE WIEDER! DU BIST EIN GANZ BESONDERER MENSCH, GENAU SO WIE DEINE TANTE ROSA! ES WIRD DIR JETZT GENAU SO ERGEHEN WIE IHR! ABER DU MUSST LEBEN, WEIL DU NOCH EINE BESTIMMTE AUFGABE IN DEINEM LEBEN HAST, SO WIE JEDER MENSCH EINE AUFGABE IN SEINEM LEBEN HAT! IMMER WIRST DU NEUE TIEFPUNKTE IN DEINEM LEBEN HABEN, IMMER WIRST DU GLAUBEN, DASS DU NICHT MEHR WEITER SINKEN KANNST UND DOCH WIRD ES IMMER TIEFER BERGABGEHEN. DENKE NUR IMMER AN MEINE WORTE. STEHE STETS WIEDER AUF UND GIB DIE HOFFNUNG NICHT AUF. GEHE IN DIE KIRCHE UND ZÜNDE FÜR JEDEN, DER DIR NAHE STEHT UND DER DICH IN DEN LETZTEN TAGEN BEGLEITET HAT, EINE KERZE AN, ABER DU DARFST KEIN BLECH IN DIE BÜCHSE WERFEN, DAS IST UNRECHT!“


 


Das Licht war wieder verschwunden, aber die Wärme in meinem Herzen blieb! Was war das für eine Stimme? Es musste ein himmlisches Geschöpf gewesen sein, denn warum hatte ich diese Erscheinung genau zu dem Zeitpunkt, in dem ich inständig zu beten begann? Ich stieg vom Wagen aus und ging zur Kirche. Ich spürte keinen Boden mehr unter den Füßen, ich ging nicht, ich schwebte förmlich dahin. In der Kirche angekommen, zündete ich so wie mir gesagt wurde, für jeden der mir lieb und der mich in den letzten Tagen begleitet hatte, eine Kerze an. Die Kerzen reichten nicht aus. An alle habe ich gedacht. Ich warf auch, so wie mir gesagt wurde, kein Geld in die Büchse.


Als ich auf dem Rückweg aus der Kirche war, fiel mir wieder ein, was dieses Licht zu mir gesagt hatte. Es würde mir genau so ergehen, wie meiner Tante Rosa. Mir viel ein, dass ihr doch anscheinend mit achtzehn Jahren die heilige Mutter Maria erschienen war und sie seitdem ständig in der Nervenheilanstalt war. Würde mich die Polizei in eine Psychiatrie einweisen? Ja, so hatte es mir diese himmlische Gestalt gesagt, es würde mir so ergehen, wie meiner Tante.


In Panik fuhr ich fluchtartig davon. Hinter mir der Passat. Der Wagen hatte Mühe mir zu folgen. Ich fuhr nicht mehr so konzentriert wie vorher, wusste ich doch jetzt schon, wie die ganze Misere ausgehen würde. Als ich dann an einer Ampel bei gelb über die Kreuzung fuhr, setzte der mir folgende Wagen sein Folgetonhorn ein und hielt mich an. Gleich darauf wurde ich immer wieder gefragt, ob ich Drogen nehmen würde, was ich verneinte. Dann wurde mir der Wagen abgenommen und ich musste mich in den Passat setzen. Ich wurde auf ein Polizeirevier mitgenommen. Dort haben mir die Beamten dann meinen Schmuck abgenommen und so komische Fragen gestellt. Als dann auch noch ein Anruf von Andreas kam und er mir sagte, sie brächten mich wohin, wo ich mich ordentlich ausschlafen könnte, brach ich völlig zusammen. Meine Befürchtungen bestätigten sich und ein Amtsarzt kam um mich zu untersuchen. Körperlich war ich total hinüber, ich war in den letzten drei Tagen über tausendsiebenhundert Kilometer gefahren, immer auf der „Flucht“, dann der Polizist, der mich am Vortag sexuell belästigt hatte in meinem Hotelzimmer und dann diese Erscheinung. Davon habe ich niemandem erzählt. Ich wollte nicht, dass man mir einen religiösen Wahn andichten konnte, so wie meiner Tante. Als dann ein Rettungswagen vorfuhr, wusste ich, dass ich bestimmt in eine Psychiatrie kommen sollte.


„Ich will nicht in eine Psychiatrie kommen!“, schrie ich wie ein wildes Tier. „Ich will nicht, dass mein Vater zu mir sagt, ich wäre eine Narrenhäuslerin! Ich will in ein Hotel um mich dort auszuschlafen, dann geht es mir wieder gut!“


Alles half nichts, ich wurde auf die Baumgartner Höhe  gebracht, mit dem Verdacht auf Drogenkonsum. Gleich als ich ankam, standen schon Ärzte bereit, die mir eine Spritze in den Oberarm gaben, worauf ich in einen ohnmachtähnlichen Schlaf fiel.


 


 


 



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